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"Ultimativ ist Datenvirtualisierung dann, wenn sie aus Daten Business-Objekte macht"

Angel Vina ist nicht nur CEO und Gründer von Denodo, sondern auch ein spannender Gesprächspartner, der erklären kann, wieso die ganze Business-Welt plötzlich so interessiert ist an Daten und wie man Daten nutzt, um Unternehmen voranzubringen. Wir haben uns die Gelegenheit nicht entgehen lassen und bei seinem letzten Deutschlandbesuch ausführlich mit ihm gesprochen.

  • 10.10.2023
  • Lesezeit: 12 Minuten
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Sie haben Denodo vor knapp 20 Jahren gegründet. Was hat damals den Impuls gegeben, sich mit Daten und Datenvirtualisierung zu befassen und dafür eine eigene Firma zu gründen?

Angel Vina: Ich empfand das als eine ganz natürliche Entwicklung. Ich leitete damals ein Forschungsteam in Spanien, das sich mit Realtime Data und Data Aggregation beschäftigte. Uns ging es darum, die Zeit zwischen Datensammlung und Datennutzung drastisch zu verkürzen. Wir leisteten sehr erfolgreiche Arbeit mit virtuellen Datenbanken zur Unterstützung von Anwendungen, Dashboards und anderen Visualisierungen, die auf großen Datenmengen in Echtzeit aus mehreren verteilten Datenquellen basieren. Irgendwann hatten wir eine produktreife Technologie, und nach einiger Abwägung und Marktforschung entschieden wir uns, von der akademischen Welt in die Businesswelt zu wechseln.

War das Bewusstsein für die Bedeutung und den Wert von Daten damals, als Sie Denodo gründeten, schon so ausgeprägt wie heute?

Vina: Das hat sich in den 20 Jahren drastisch verändert. Damals war die große Zeit von Data Warehousing und Business Intelligence …

Sehr kompliziert und sehr teuer …

Vina: Ja, aber es war auch die große Zeit der verteilten Systeme, und in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre begann der Siegeszug des Web und der Web-zentrischen Architekturen. Das war auch ein Schlüsselmoment für unsere Technologie, weil wir anhand verschiedener Use-Cases zeigen konnten, dass wir Web-Daten aggregieren und mit traditionellen Enterprise-Systemen integrieren können. Zum Beispiel im Finanzbereich haben wir es ermöglicht, dass Daten unterschiedlichen Ursprungs zusammengefasst und so das Portfolio eines Kunden einheitlich abgebildet werden konnte. Wir konnten auch Ergebnisse verschiedener Search Engines aggregieren und integriert darstellen. Wir waren ziemlich gut darin, die im Web entstandenen Technologien und Vorgehensweisen in Unternehmen anwendbar zu machen.

Heute betrachten auch Business-Manager Daten als enorm wichtig, bezeichnen Daten als das neue Gold oder das neue Öl. Ist ihnen aber auch bewusst, wie komplex der Umgang mit Daten ist und wie viel Arbeit es bedeutet, sie nutzbar zu machen?

Vina: Daten haben als Business-Priorität die Schreibtische und vor allem die Köpfe der C-Level-Entscheider erreicht. Wir als Softwareunternehmen müssen ihnen nicht mehr erklären, welche strategische Bedeutung Daten haben. In den größeren Unternehmen, die wir in erster Linie adressieren, ist man sich sehr bewusst, dass sie eine Datenvision und -strategie benötigen, um die digitale Transformation ihrer Organisation erfolgreich zu gestalten. In den führenden Unternehmen sind Daten zur Top-Priorität avanciert Wie Unternehmen heute mit Daten umgehen, ist keine technische Entscheidung mehr, sondern eine, die von den Topverantwortlichen getroffen wird.

Obwohl alle über Daten reden und darüber, wie wichtig ihre konsequente Nutzung ist, ist das Verständnis für das Konzept Datenvirtualisierung nicht allzu weit verbreitet. Stimmen Sie diesem Eindruck zu und was sind die Gründe dafür?

Vina: Es ist ein technischer Begriff, der sich auf die Vereinheitlichung diverser Datenformate bezieht. Sobald wir technische Begriffe wie Datenvirtualisierung oder Data Fabric oder Ähnliches benutzen, müssen wir sie verständlich erklären. Deshalb konzentrieren wir uns darauf zu erläutern, was Datenvirtualisierung bewirkt, und das versteht eigentlich jeder: Mit einer zusätzlichen logischen Schicht vereinheitlichen wir die verschiedenen Datenformate aus den unterschiedlichen Bereichen und Silos eines Unternehmens so, dass sie von jedem überall genutzt werden können. Am Ende verhelfen wir den Unternehmen damit zu einem einheitlichen Verständnis des Unternehmensbetriebs. Wie wichtig es ist, dass die verschiedenen Systeme und Applikationen über alle Silos hinweg das Gleiche verstehen, wenn es um Produkte, Services, Prozesse und Abläufe geht, leuchtet jedem ein. Die dahinterliegende Technologie, die dies ermöglicht, ist für Business-Verantwortliche zweitrangig.

Es ist verständlich, dass Business-Entscheider nicht zu tief in die Details von Technologien eintauchen möchten. Aber für Denodo ist die Technologie doch ein wichtiger Differenziator und Wettbewerbsvorteil. Trotzdem lassen Sie sie aus Ihrer Story raus?

Vina: Für den Business-Verantwortlichen ist Technologie ein Enabler, aber die IT-Verantwortlichen möchten schon sehr genau wissen, wie es funktioniert und warum die technische Lösung einzigarti ist. Weil wir mit Business und IT-Entscheidern verschiedene Zielgruppen erreichen möchten, müssen wir unsere Botschaft an die jeweilige Zielgruppe anpassen. Am Ende bleibt gültig, dass die Daten aus verschiedenen IT-Systemen gemanagt und in einer Business-Perspektive konsistent und einheitlich dargestellt werden. Daten bekommen einen Business-Status und werden zum Geschäftsobjekt – und werden nicht mehr wie ein technisches Asset der IT behandelt.

Das ist Angel Vina
Angel Vina ist Gründer und CEO des Datenmanagement-Spezialisten Denodo. Er gründete das Unternehmen 2004 im spanischen A Coruña. Damals war er noch Professor an der dortigen Universität. 2006 zog Vina mit Denodo um ins kalifornische Silicon Valley. Heute beschäftigt Denodo über 700 Mitarbeiter und holte 2023 mit TPG einen globalen Investor an Bord, der 336 Millionen US-Dollar in Denodos Series-B-Vorzugsaktienkapital investiert.
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Angel Vina, Gründer und CEO des Datenmanagement-Spezialisten Denodo

Das ist eine sehr spezielle Definition von Virtualisierung. Viele Menschen würden Daten an sich bereits als virtuelles Produkt sehen.

Vina: Richtig. Aber ultimativ ist Datenvirtualisierung dann, wenn sie aus Daten Business-Objekte macht. Das ist genau das, was wir anbieten. Wir helfen dabei, die Datennutzung zu steigern, indem wir den Datenzugang für immer mehr Nutzer vereinfachen und mehr Daten für neue Nutzer zugänglich machen. Dadurch steigen der Business-Nutzen und die Auswirkungen von Daten auf die Geschäftstätigkeit stark an. Außerdem reduzieren Daten das unternehmerische Risiko, wenn sie als Basis für Entscheidungen herangezogen werden: Hierdurch wird unternehmerisches Handeln sicherer sowie Compliance- und Governance-konform. Letztlich vereinfacht unsere Technologie die Datenarchitekturen und reduziert die Kosten für die Datenverwaltung. Das mag einigen Leuten noch nicht relevant erscheinen, aber bei Unternehmen, die heute schon stark Daten nutzen, spielen die Computing-Kosten für Daten durchaus eine signifikante Rolle. Und wenn es stimmt, was alle Experten prognostizieren, steigt die Datennutzung in den kommenden Jahren weiter steil an – und mit ihr die Kosten für ihre Nutzung.

Wenn Denodo für Anwenderunternehmen Daten in Geschäft übersetzt, glauben Sie, dass diese Daten auch von allen im Unternehmen genutzt werden, oder bleiben Datennutzung und Analyse weiterhin einer Gruppe von Spezialisten vorbehalten?

Vina: Noch vor fünf Jahren waren die Daten ausschließlich in der Hand der IT, das galt auch für Business Intelligence. Aber seit die digitale Transformation voranschreitet, nutzen immer mehr Nicht-ITler die Daten. Sie können es vielleicht sogar umdrehen und sagen: Durch die Demokratisierung der Datennutzung kann die digitale Transformation erst erfolgreich gestaltet werden. Wir bieten zum Beispiel mit dem Data Catalogue, der ein wichtiges Element unseres User-Interface darstellt, ganz normalen Nutzern die Möglichkeit, auf verschiedenste Daten aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen zuzugreifen, auf deren Basis eigene Analysen durchzuführen oder auch Analysen durch die Kombination von Datenprodukten durchzuführen. All dies ist möglich, wenn die Komplexität der Daten ausgeblendet wird und Benutzer sowie Anwendungen nahtlos auf die Daten zugreifen können, unabhängig von ihrem Standort, ihren Formaten, ihrer Speichertechnologie oder ihren Berechnungsmethoden. Dies ist das Wertversprechen von Denodo an den Markt.

Welche Rolle spielen die Konzepte von Data Mesh und Data Fabric für Denodo?

Vina: Wir betrachten sie als wichtige Architekturparadigmen und Konzepte. Sie strukturieren die Ideen darüber, wie Dateninfrastruktur am besten organisiert wird. Gleichgültig, welches Konzept Sie sich in diesem Zusammenhang anschauen, ein Layer für das Datenmanagement, wie wir es anbieten, kommt in allen vor. Die Konzepte von Data Fabric und Data Mesh basieren auf der Idee einer verteilten Datenlandschaft, die eine der Säulen des von Denodo vorgeschlagenen logischen Ansatzes für das Datenmanagement bildet.

Bringen Systeme wie Denodo operative und analytische Daten näher zusammen oder spielt das heute keine Rolle mehr?

Vina: Absolut. Wir decken beide Welten komplett ab. Unsere Engines sind für operationalen und für analytischen Datenverkehr gebaut. Wenn Denodo Ausführungspläne für Queries optimiert, berücksichtigt die Plattform deren Natur. Operative Queries sind in der Regel einfach und kurz, analytische dagegen sind reich an Daten, in den meisten Fällen nutzen sie auch diverse unterschiedliche Quellen. Die Denodo-Plattform versteht den Kontext, aus dem eine Abfrage stammt, und erstellt in Echtzeit einen optimalen Abfrageausführungsplan, der den für jede Art von Abfrage erforderlichen Rechenaufwand an die Systeme anpasst.

Wenn wir die Datennutzung demokratisieren, brauchen die Unternehmen dann auch ein neues Governance-Modell für Daten? Denken die Denodo-Kunden darüber nach?

Vina: Datendemokratisierung hat starke Auswirkungen auf die Unternehmen. Wir machen sie darauf aufmerksam und zeigen ihnen auf, wie sie ein höheres Level in der Datennutzung erreichen und Governance-Regeln robust implementieren können. Mehr Nutzung und mehr Diversität unter den Nutzern erfordern bessere Kontrolle und eine strengere Governance. Es sind die führenden Unternehmen, die gezielt daran arbeiten, die Datennutzung im Unternehmen zu verbessern. Sie gehen davon aus, dass sich ihre Organisation desto besser entwickelt und schneller wächst, je mehr Daten genutzt werden und diese Nutzung sicher und konform mit den Regularien ist.

Sind den Business-Verantwortlichen diese Zusammenhänge bewusst und wissen sie, wie bedeutsam effektives Datenmanagement für ihre Unternehmen ist?

Vina: Ja, die Führungspersönlichkeiten im Business haben das erkannt. Studien legen nahe: Je mehr Daten im Unternehmen verwendet werden, desto schneller werden tatsächlich Kunden gewonnen, neue Geschäftsbereiche wahrscheinlicher entdeckt und mehr neue Dienstleistungen eingeführt. Sie erkennen zunehmend auch, dass die Werkzeuge, die wir ihnen für das Datenmanagement liefern, die Datennutzung und die Kosten dafür transparent und damit steuerbar machen. Zum Beispiel Queries Richtung Cloud Data sind nicht preiswert. Im Moment mögen sich die Kosten dafür noch im Rahmen halten, aber wenn Cloud- und Datennutzung weiter steigen, werden die Kosten für diese Queries einen signifikanten Posten im IT-Budget ausmachen. Ohne Transparenz und Kontrolle über den Datenverkehr in der Organisation wird es Unternehmen nicht möglich sein, die Dateninfrastruktur zu steuern.

Ihre Aussage, dass die zusätzliche logische Schicht, die Datenvirtualisierung bietet, durchgehende Transparenz in die Unternehmen bringt, ist spannend. Wofür nutzen denn die Unternehmen diese Transparenz stärker – für die auf Kunden ausgerichteten Aktivitäten oder für die Steuerung der internen Prozesse?

Vina: Für beides. Erst heute Morgen hat ein international tätiger Kunde von uns einige Nutzungsdaten mit uns geteilt. Ihre Schätzung ist, dass sie 110 Milliarden analytische und operative Queries pro Jahr absetzen. Das sind durchschnittlich ungefähr 3000 Queries pro Sekunde. Dieses Volumen geht in beide Richtungen, nach innen und nach außen.

Ist das ein typischer Kunde für Denodo?

Vina: Ja. Und ihre Herausforderungen in Sachen Daten sind durchaus ähnlich gelagert. Alle Unternehmen versuchen, eine bessere Kontrolle darüber zu erlangen, wie Daten für ihre Geschäftsbereiche zugänglich gemacht und in der gesamten Organisation besser ausgetauscht werden und wie Datensilos überwunden werden können.

Wie steht es bei Denodo um die Nutzung von AI? Nutzen Sie Künstliche Intelligenz innerhalb Ihrer Plattform?

Vina: Wir haben KI-Funktionalitäten in verschiedenen Komponenten unserer Denodo-Plattform integriert. So können wir beispielsweise auf Basis des bisherigen Nutzungsverhaltens Empfehlungen geben, welche Daten mit welchen Analysen am besten ausgewertet werden können. Dieses AI-Feature geht allerdings über Empfehlungen hinaus. Unsere Engine entscheidet automatisch, wie Ausführungspläne der Abfragen optimiert werden sollen, basierend auf der Historie der in der Vergangenheit ausgeführten Queries und den aktuellen Bedingungen in den Systemen, um die zugrunde liegenden Workloads zu unterstützen. Es finden Analysen statt, die herausfinden, wie bestimmte Anfragen in ähnlich gelagerten Fällen bearbeitet wurden und wie effizient diese Queries behandelt wurden. Es werden dann automatisch die effektivsten Wege beschritten, um die jeweilige Query am besten zu bearbeiten. Dies ist eine zentrale Funktion von Datenvirtualisierungsplattformen, die viele Menschen einfach übersehen: Bei der Datenvirtualisierung geht es nicht nur darum, Metadaten zu vereinheitlichen und eine Vielzahl von Bereitstellungsmethoden für verschiedene Nutzergruppen anzubieten, sondern auch darum, Datensysteme zu verwalten, um Ausführungspläne für jeden Typ von Datenabfrage zu optimieren.

Ein weiterer zentraler Beitrag zur Entwicklung von KI- und ML-Anwendungen ist der Support, den das Datenmanagement bietet, um die neuen intelligenten Anwendungen mit kontrollierten Daten zu versorgen. Keine andere Technologie als die Datenvirtualisierung ist besser positioniert, um Daten-Feeds für KI-Anwendungen aus verschiedenen Datensystemen zu unterstützen. Das ist wichtig, um Muster und Verhaltensweisen zu erlernen, Optimierungen zu finden und höhere Automatisierungsgrade zu erreichen sowie natürliche Spracherlebnisse bei der Interaktion mit dem Datenbestand einer Organisation zu schaffen.

Sind Sie denn dann auch in der Lage, Ihren Kunden FinOps-Funktionalitäten zur Verfügung zu stellen – also ihnen technische Mittel an die Hand zu geben, mit denen sie die Kosten für ihre IT auf Transaktionsebene ermitteln können?

Vina: Ja, das bringen wir jetzt gerade raus. Damit eröffnen wir unseren Kunden eine weitere Transparenzebene neben Verfügbarkeit, Systemperformanz und Security, eben auch die Kostenebene.

Bedeutete das Aufkommen von AI für Denodo eine Disruption oder "nur" eine Bereicherung des Funktionsumfangs?

Vina: Beides. Wir und unsere Kunden können unsere Geschäfte nicht mehr einfach so weiterbetreiben, als wenn es AI nicht geben würde. Künstliche Intelligenz erweitert unsere Funktionalität und eröffnet unseren Kunden eine breite Palette neuer Möglichkeiten zur Automatisierung manueller Aufgaben und zur Beschleunigung der Bereitstellung ihrer Daten für Business-Nutzer.

Letzte Frage: Mögen Sie Veränderungen oder hassen Sie sie?

Vina: Was glauben Sie denn? (lacht) Aber ernsthaft, lassen Sie mich das so beantworten: Denodo macht im Grunde seit 20 Jahren das Gleiche. Wir virtualisieren Daten und liefern unseren Kunden so eine einheitliche Perspektive auf ihren Unternehmensbetrieb. Aber die Mittel, die wir dafür nutzen, ändern sich natürlich mit den zum jeweiligen Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Technologien. Ich glaube, das ist die eigentliche Kunst eines erfolgreichen Softwareunternehmens: fokussiert zu bleiben auf die sich selbst gestellte Aufgabe und Vision, gleichzeitig aber die ständigen Veränderungen mitzunehmen, die einen diese Aufgabe effizienter und effektiver bewältigen lassen.

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